Qualitätsziele

„Leidenschaft in Klang wandeln“

Jeder Handwerker hat Ziele, die seine Tätigkeit leiten und letztendlich Zweck seiner Arbeit sind. Angesichts der erfolgreichsten Trends der Branche, sollte ich vielleicht erzählen, wie zielstrebig ich versuche, Kopien zu schaffen, die wohl kaum von den alten zu unterscheiden sind; und ja sogar besser: in Blattgold verziert bis im inneren und nur mit Holz gebaut der mindestens 400 Jahre alt ist. Wohl in der Tracht des 18. Jahrhunderts arbeitend und abends doch beim Kerzenlicht, tu‘ ich alles nur um meinen Kunden die Illusion zu geben, dass die Zeit zu jenem goldenen Zeitalter stehen geblieben sei, wo Ketzer auf dem Hauptplatz verbrannt wurden und Frauen beim Gebären starben.

Allein bin ich nicht ein Mensch, der für solcher Geschichtlen etwas übrig hat. Auch stelle ich mich vor, dass für einige diese Seite der erste Kontakt mit meiner Arbeit sein wird und möchte nicht die erfreuliche Interesse mit Märchen vergelten.

Meine Vision des Instrumentenbauers ist viel einfacher. Meine Interesse im Instrumentenbau liegt weder darin, die Ästhetik der Louis XV Nachttischen nachzumachen, noch in den alchemistischen Charme von Lacken, Farben und Materialien.
Ich beschäftige mich mit Cembali und Clavichorde hauptsächlich, weil sie „Werkzeuge“ (lat. Instrumenta) zum Musizieren sind. Mein Hauptziel ist Instrumente zu bauen, die wirklich wert sind, gehört und gespielt zu werden. Und so selbstverständlich dies Vorsatz auch klingen mag, sind solche Instrumente in der Tat eher selten anzutreffen.
Seit dem Augenblick in dem ich dieser Auftrag wahrnahm und mich von der romanhafte Vision des Instrumentenbauer verabschiedete, hat sich die Qualität meiner Instrumente ständig verbessert.

Wenn man einfach über die Funktion eines Instruments nachdenkt, kann man sich eine sehr detaillierte Vorstellung seiner Zwecke entwickeln; dann ist es leicht möglich letztere im Bezug auf Qualität einzustufen. Hier sind also meine Schlussfolgerungen, die daher auch Ziele meiner Arbeit geworden sind:

1- Der Hauptzweck eines Instruments ist, einen schönen Klang zu haben.
2- Der sekundäre Zweck eines Instruments ist dem Musiker gute Kontrolle zu bieten.
3- Der tertiäre Zweck eines Instrumentes ist dauerhaft zu sein.
4- Der letzte Zweck eines Instruments ist ansprechend auszusehen.

Ich weiß wohl, dass von objektiven Kriterien zu sprechen, heute ganz unpopulär ist. Andererseits fordere ich diejenigen, die meine Überzeugung kritisieren auf, ihre These zu beweisen, indem sie absichtlich ein Instrument mit schlechtem Klang, unkontrollierbarer Mechanik, schwacher Struktur und widerliches aussehen kaufen. Ich kann einen so tapferen Verfechter des Relativismus nur gratulieren; doch die Schaden werden ihm bleiben, weil ja kein ernsthafter Musiker mit einem solchen Instrument arbeiten kann.

Diese Prinzipien dienen auch als Heilmittel gegen die unzähligen Eigensinnigkeiten von Musikern und Instrumentenbauer: was man in einem Instrument nicht hört, nicht Anschlag oder Solidität beeinflusst und nicht gesehen wird, ist völlig unbedeutend. Es klingt total überflüssig; und dennoch trifft man immer wieder Leute, die aus unbedeutende Details eine Lebensfrage machen wollen. Ich habe beschlossen, meine Kräfte und Energie nur für die oben genannten Zwecke einzusetzen und zwar in der unten beschriebene Einstufung.

Vorausgesetzt, ein wirklich vorzügliches Instrument verdient 100 von 100 Punkten und ein akzeptables Instrument etwa 60 davon haben soll, habe ich diese Prinzipien folgendermaßen eingeordnet:

– Klang ist der Hauptgrund, warum Instrumente überhaupt gibt und ist bei weitem das wichtigste Element. Ein Instrument, in allem perfekt, dass aber einen unattraktiven, gewöhnlichen und langweiligen Klang aufweist, hat schlichtweg keine Existenzberechtigung (außer als Einrichtungsgegenstand). Es mag ein schönes Möbelstück sein, doch als Instrument ist noch völlig unzufriedenstellend. Deshalb verdient der Klang allein etwa 50 von 100 Punkten: es ist daher die Hauptaufgabe des Instrumentenbauer, alles mögliche zu tun, um ihn zu verbessern bis er würdig ist den großen musikalischen Kunstwerken eine Stimme zu geben.

Praktisch gesehen endet die Suche nach Klang jedoch nicht mit hochwertigen Materialien und Sorgfältigkeit: wenn überhaupt, ist dies nur der Ausgangspunkt für die Arbeit eines guten Instrumentenbauer.
Natürlich steht jedem frei zu glauben, dass der vorzügliche Klang der Originalinstrumente weitgehend aus dem Alter stammt oder gar mit wunderbaren Materialien und Lacken zusammenhängt, wie man recht oft hört. Es gibt so viele Theorien darüber, vom alchemischen bis zum klimatologischen Spektrum, dass sich jeder seine Erklärung aussuchen kann, wieso moderne Kopien doch nicht so köstlich und lebendig klingen wie die Alten.
Ansonsten kann man denken, dass die großen Meister der Vergangenheit hervorragende Instrumente gebaut haben, weil sie ihr Handwerk kannten und genau wussten, was sie zu tun hatten. Das ist meine Überzeugung.
Die Tatsache, dass Abmessungen und Röntgenaufnahmen, hinter einem großen Anschein von Wissenschaftlichkeit, uns nicht ganz zu erklären helfen, wie man ein ebenso gutes Instrument baut, scheint uns fast zu einer magischen Erklärung führen zu wollen. Doch in Wirklichkeit reicht der visuelle Ansatz auch im Alltagsleben nicht aus, um akustische, olfaktorische, taktile oder geschmackliche Phänomene vollständig zu beschreiben, da sie auf verschiedenen Ebenen basieren.

Nicht einmal die genaueste Röntgenaufnahme einer großartige Margherita-Pizza würde einem angehenden Koch helfen, eine ebenso gute zu backen. Doch die Erklärung liegt wohl nicht in sensationell „gealterte“ Tomaten oder gar in „Stradivari“-Mozzarella: es gibt viel mehr zu wissen als die einfachen Abmessungen. Ein tüchtiger Pizzabäcker, hingegen, statt sich auf digitaler Schieblehre oder Wunderzutaten zu verlassen, würde sich hauptsächlich auf seine eigene Wahrnehmung und Erfahrung basieren, um eine köstliche Pizza zu backen.
Ich bin überzeugt, die Art und Weise des Pizzabäckers näher an den alten Instrumentenbauer komme als das Verhalten einige Kollegen, die ihre Tage mit dem Stärkenmesser in der Hand verbringen oder auf der ewigen Suche nach außergewöhnlichen Materialien sind.

Was für den Pizzabäcker des Beispiels die Erfahrung ist, könnte man im Instrumentenbau etwa „praktische Akustik“ nennen (oder „Acoustic Technology“, wie mein Meister Keith Hill). Unter diesem Begriff versteht man ein Korpus empirischer Kenntnisse, die daran zielen den Klang der Instrumente zu verbessern. Es sind praktische Anwendungen einfacher akustischer Prinzipien, die mein Meister im Laufe seiner Tätigkeit entdeckt hat.

Ob man es glaubt oder nicht, eines Tages haben wir eine Liste von über 45 kleinen und großen einzelnen akustischen Verbesserungen zusammengestellt, die beim Bau eines Cembalo ausgeführt werden können (wahrscheinlich gibt es noch mehrere zu entdecken). Selbstverständlich wären die meisten dieser Verbesserungen visuell kaum zu entziffern; geschweige denn in einem Röntgenbild. Dennoch sind sie unbestreitbar im Instrument vorhanden, weil die akustische Veränderung, die sie verursachen, leicht hörbar ist.  Das Kernprinzip dieser Technologie ist die Teile des Instrumentes und vor allem das Resonanzboden zu stimmen. Das geschieht in dem man genau zuhört und so lange Holz weghobelt bis man der gewünschte Ton erreicht.

Wenn alle akustischen Optimierungen tadellos ausgeführt werden, erhält das Instrument einen unsagbar schönen Klang und scheint beim Spielen fast zum Leben zu erwachen, wie in den besten Originalinstrumente; wenn diese Verbesserungen zumindest teilweise gemacht oder versucht wurden, wird das Instrument doch einige guten Eigenschaften und einen gewissen Charme aufweisen. Wenn man sich andererseits nur auf Augen und vorgegebene Maße verlässt, dann wird das akustische Ergebnis vom reinen Zufall bestimmt; denn selbst wenn man genauest kopiert, da Holz immer anders ist, so werden auch seine akustischen Eigenschaften sein. (Versuche mal selbst auf zwei Holzstücken gleicher Größe zu klopfen: nur ausnahmsweise werden sie den gleichen Klang erzeugen). Kurz gesagt, mit vorgegebenen Maße wird ein Instrument besser und das andere schlechter geraten ohne ersichtlichen Grund, wie man oft hört.

-Die Mechanik, verstanden als Anschluss mit dem Musiker, ist das zweite Element in der Reihenfolge, denn selbst mit einem guten Klang, wenn man ihn nicht kontrollieren kann, wird Musik doch leiden. Von den verbleibenden 50 Punkten muss daher die Hälfte der Steuerung des Instruments zugeordnet werden, da es nach dem Klang das wichtigste Element für die Aufführung ist.

Wir neigen oft dazu, uns auf die unmittelbarsten Elemente wie Bekielung oder Tastengang zu konzentrieren. Einige halten es wohl für wesentlich, sehr glatte Tasten zu haben, während andere sie porös und „gelebt“ vorziehen. Jeder hat natürlich sein Lieblingsmaterial und die eifrigsten haben, in ihrem Sagen, unbestreitbar ideale Maße der Oktave ausgearbeitet. Da man in der Praxis sehr gute Instrumente begegnet, die ziemlich unterschiedliche Bekielung, Materialien und Abmessungen haben können, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Elemente vielleicht nicht gar so wichtig sind, wie es auf den ersten Blick scheint.

Ich empfehle also über den unmittelbaren Eindruck hinauszublicken: Haupttugend einer Mechanik ist es, dem Musiker gute Kontrolle zu bieten. Hat man nicht grob verzagt; ein wenig härter oder leichter, glatt oder porös, breit oder schmal, wird ein Profi-Musiker kaum ein paar Stunden brauchen, um sich an einer neue Tastatur zu gewöhnen. Auch ist es zum Teil Geschmacksache, denn jeder von uns spielt doch anders.
Was aber nicht mal die beste Spieltechnik kompensieren kann, ist fehlende Kontrolle aufgrund gröbere Mängel des Instruments. In dieser Hinsicht sind neben Intonation, Abstand und Länge der Plectra von den Saiten, Hebelverhältnis und genaue Auswuchtung der Tasten von grundlegender Bedeutung.
Beim Clavichord sind diese Faktoren noch kritischer und werden weitere Parameter hinzugefügt, wie Besaitung, Überlänge der Saiten, Positionierung des Dämpfertuchs und so weiter. Einige von diesen sind leicht zu ändern, andere werden nur beim Bau festgesetzt. Da beim Clavichord unsere Wahrnehumng von Klang und Anschlag so eng verbunden sind, wird ein wohlklingendes Instrument automatisch viel leichter zu spielen fühlen. Dies ist besonders deutlich wenn man ein neues Resonanboden einbaut und ohne sonst etwas zu ändern, das Instrument gleich viel angenehmer zu spielen wird.

-Ein gutes Instrument muss dauerhaft und stabil sein. Vielleicht wird sich jemand fragen, warum ich diesem Aspekt nur mehr 15 Punkte zugeordnet habe. Meine Antwort ist, dass, wenn man Holz, Saitendraht, Konstruktion und Leim sorgfältig wählt, um den besten Klang zu bekommen, dann ist man mit Dauerhaftigkeit recht weit gekommen. Die zusätzliche Arbeit, die erforderlich ist, um das Instrument noch stabiler zu machen, beschränkt sich auf ein paar Eingriffe an den richtigen Stellen.

Wenn die Struktur der historischen Cembali tatsächlich so schwach wäre, wie an Restauratoren des späten neunzehnten Jahrhunderts schien, hätten sie wohl nicht 4-500 Jahre in gutem Zustand überlebt.

Es gibt also keinen Grund, die Dicke der Teilen aus Mißtrauen beliebig zu erhöhen oder sogar auf Superkleber, spezielles Sperrholz oder Kunstlacken oder Abdichtungsfarben zurückzugreifen, die wohl mehr Nachteile als Gewinn bringen. Gute Materialien und althergebrachte Methoden sind alles was man wirklich braucht.
Auf der anderen Seite bringt auch das willkürliche Ausdünnen des Resonanzbodens keine große Vorteile, denn über eine bestimmte Grenze beginnt sich der Klang zu verschlechtern, weil ein Cembalo doch kein Banjo ist. Letztendlich sind die akustisch erfolgreichsten Materialien und Strukturen naturgemäß der beste Kompromiss zwischen Leichtigkeit, Stabilität und Widerstand: als Beweis dafür gibt es heute noch viele wertvollen jahrhundertalten Instrumente in gutem Zustand.

-Das Aussehen des Instruments ist ein grundlegendes Element für viele Musiker und Instrumentenbauer. Schließlich ist es das erste was man sieht und anhand der Mühe die daran investiert wird, gewinnt man nicht selten den Eindruck es sei für einige sogar das wichtigste. Aus diesem Grund finde ich hier angebracht das äußere Erscheinungsbild eines Instruments auf seinem richtigen Wert zurück zu bringen: bis zum Tage, an dem man Musik mit den Augen hören kann, muss Klang als das allerwichtigste Element eines Musikinstruments betrachtet werden.

Ich mag das Hässliche wohl nicht und denke, ein attraktives Instrument lade den Musiker zum spielen ein, was von grundlegender Bedeutung ist, weil lustlosen Aufführung musikalisch nichtssagend sind. Zugleich bin ich auch davon überzeugt, dass eine zwanghafte Suche nach aufwendiger Dekoration nutzlos ist: wenn man sein Bestes getan hat, um ein wohlklingendes Instrument zu bekommen, wird man in der Regel auch ein Instrument von recht angenehmem Aussehen erhalten haben. Der Grund dafür ist, dass Schönheit bei Instrumenten vor allem an den Proportionen liegt und nur wenige Instrumente, die sinnwidrige Proportionen haben klanglich erforlgreich sind.
Wenn diese angenehm sind, braucht man sie nur noch mit anmutigen Klaviaturwangen und Profile zu betonen. Wenn Proportionen falsch sind, wird nicht einmal eine Unmenge feinster Blattgold und Intarsien in der Lage sein sie zu verschleiern. Es ist daher nutzlos, sich auf ästhetische Elemente fetischistisch zu konzentrieren, in der Hoffnung, Schönheit durch Dekoration allein zu erzielen.
Mein persönlicher Geschmack ist eher nüchtern zu dekorieren; das heißt in der Praxis, nur bis zum Punkt wo man nicht mehr das Bedürfnis verspürt, etwas hinzuzufügen. Gerade in dieser schlichten und freundlichen Eleganz, geschmackvoll aber nicht anmaßend, liegt der große Charme vieler historischen Instrumente.

Das sind im Wesentlichen die philosophischen Grundlagen meiner Arbeit. Es wird oft landläufig behauptet, Philosophie sei eine Zeitverschwendung; aber für diejenigen, die gute Ergebnisse erzielen wollen, ist eine rationelle Zielsetzung definitiv nicht überflüssig.
Da sowohl Musiker als auch Instrumentenbauer Lebewesen sind, die mit begrenzten Kräfte und Zeit zu rechnen haben, ist es wichtig die eigene Ziele klar vor Augen zu haben, um unnötige Verschwendung von Energie zu vermeiden. Nun sind dies meine: ich kann garantieren, dass alle meine Bemühungen darauf zielen werden, meine Instrumente im Bezug auf dieser Prinzipien zu verbessern.