Das Cembalo im Ensemble

einige Betrachtungen aus der Sicht des Publikums.

Ich habe nie einen Geheimnis daraus gemacht, dass ich die Orgel, für öffentliches musizieren, und das Clavichord, zum persönlichen Vergnügen, bevorzuge. Mit dem Organo Pleno kann man das Feuer der Hölle zwischen die Kirchenbänke spüren lassen und gleichwohl mit sanften Stimmen an Engelchöre erinnern. Das Clavichord ist hingegen, in seiner Melanchonie, das Instrument, dass menschliches Geschick am besten malt.

Für jemanden wie ich, der die Musikgeschichte aus dem Orgelempore beobachtet, ist Ensemblemusik der Kontext, wo das Cembalo absolut unersetzlich ist. Das Clavichord ist dafür zu zart und die Orgel, obwohl sie sich für wunderbare Effekte eignen würde, wird nur wenig im Ensemble verwendet. Damit nicht genug: heute pflegt man auch in großen sakralen Werken nur mehr Truhenorgeln einzusetzen und schon gar nie ein vollkommenes Orgelwerk. Der einzige Lichtstrahl, der das Generalbass in modernen Aufführungen zum Leuchten bringen kann, ist das Cembalo.

Einige Cembalisten vernachlässigen das Continuospiel und betrachten es als zweitrangige Fertigkeit. Ich, der fast immer nur alleine gespielt habe, verstehe diese Einstellung nicht, denn es gibt nichts Schöneres und Lustigeres als Ensemblemusik. Wenn man jammert, dass der bezifferte Bass eines Trios weniger spannend ist als eine Couperin-Suite ist, antworte ich, dass die Gesamtwirkung der Triosonate genauso schön sein kann als die Suite. Und wenn die technischen Schwierigkeiten weniger sind, kann man sich umso mehr auf andere wichtige Aspekte der Aufführung konzentrieren.

Leider wurde in den Konservatorien zu meiner Zeiten, dem Generalbass nur sehr wenig Aufmerksamkeit gewidmet und als Erwachsene ist es doch schwierig Zeit zu finden, um die richtige Aufführung des bezifferten Basses zu erlernen. Darüber hinaus gibt es auch wenigere Möglichkeiten der Praxis, weil das erwartete Niveau, bereits zu hoch ist, als dass man es ohne ausreichende Erfahrung mit den Nummern erreichen kann. So spielen viele, aus Angst oder Bequemlichkeit, oft noch aus vorgefertigten Realisierungen, die nicht immer musikalisch zufriedenstellend sind. Ich hoffe, dass sich diese Situation ändern wird und dass in Zukunft Organisten und Cembalisten, vom Anfang an im Generalbass und Ensemblespiel unterrichtet werden.

Wenn jemand an dieser Stelle der Einwand hervorheben möchte, dass jemanden qualifizierter als ich, über Generalbass Praxis, historische Quellen, stilistische Aspekte usw. sprechen sollte, hätte ich nicht viel dagegen.
Wenn ich mich aber doch erlaube, etwas zu diesem Thema zu schreiben, ist einerseits, weil ich ein häufiger Konzertbesucher bin, der über den Jahren ziemlich alles gehört hat was funktioniert und was nicht. Andererseits hat mich meine Erfahrung als Instrumentenbauer natürlich dazu gebracht, die Ansprüche der Begleitung mit bestimmten klanglichen Eigenschaften des Instruments zu verknüpfen. Ich schätze nämlich die Begleitfunktion eines Cembalo als eine der wichtigsten Aspekte und achte besonders darauf, dass meine Instrumente im Ensemble erfolgreich sind.

Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, die gleiche Komposition in zeitlicher Nähe mit demselben Chor und Orchester aufzuführen: einmal nur mit Cembalo, das zweite Mal nur mit Orgel. Zum Beginn möchte ich klar sagen, dass beide Male etwas fehlte; aber bei dieser Erfahrung, sah ich sehr klar was funktionierte und was wackelte, und konnte ich mir die verschiedenen Funktionen des Generalbasses bestens klären: mit dem Cembalo spielte das Orchester gut zusammen und es gab keine rhythmischen Schwankungen, auf der anderen Seite war der Chor ein wenig uneins und die Sänger nicht ganz sicher. Beim zweiten Male, mit der Truhenorgel, war das Orchester wohl etwas unruhiger mit dem Tempo, aber sowohl der Chor als auch die Sänger, in Rezitativen und Arien, hatten wenige Intonationsprobleme.

Aus dieser Erfahrung war mir klar, dass die Hauptbeiträge des Generalbasses auf Tasteninstrumenten sind Rhythmus und Harmonie zu definieren, was dem Cembalo recht gut gelingt, während die Orgel wichtiger für Intonation und Füllung ist (und in großen Werke hilft sie auch die allgemeine Verschmelzung). Dies hängt natürlich mit der unterschiedlichen Klangerzeugung zusammen, so dass, meiner Meinung nach, nur in kleinen Gruppen auf einen der beiden Instrumente verzichten kann. Wenn jedoch einer der beiden fehlt oder nicht vorgesehen ist, muss der andere, so weit wie möglich, alle vier Aufgaben übernehmen: Rhythmus, Harmonie, Intonation und Füllung. Und das ist nicht wenig für die Ressourcen eines Instruments: tatsächlich sieht man, dass nur eine gute Orgel oder ein gutes Cembalo in der Praxis eine wirklich ergözliche Begleitung geben.

Der erste und häufigste Mangel, den ich als Zuhörer bei Konzerte erlebt habe, ist eine zu schwache und unbedeutende Begleitung. Das Gegenteil kam in meiner Erfahrung so selten vor, dass es sich nicht einmal lohnt, darüber zu diskutieren. Die erste Ursache einer schwachen Begleitung ist das Vorurteil, dass sie ein marginaler oder sogar überflüssiger Teil der Komposition sei. Übersetzt man dies in die Ästhetik des Neobarocks, dann heißt es ein kränkliches, dreistimmiges Continuo, dass den Instrumentalisten kein richtiges Fundament bietet. Ich überlasse es den Experten, über Finessen der Aufführungspraxis zu diskutieren, ich finde aber, dass nur stellenweise eine dünne Begleitung, wohl als Effekt, angenehm sein kann; wenn aber dauernd die Solisten stützlos bleiben müssen, so wird es bald ermüdend. Es sind oft auch die Instrumentalisten selbst, die unterstreichen, wie es einfacher und natürlicher sei, mit einer soliden Begleitung zu spielen.
Die zweite Ursache für schwache Begleitung ist ein mittelmäßiges Instrument. Und so sehr ein kluger Cembalist auch versuchen mag, dies abzuhelfen, so wird es ihm leider nicht immer ganz gelingen. Schauen wir also welche Merkmale ein Cembalo haben soll um gut im Ensemble wirken zu können.

Betrachten wir die oben genannten Funktionen des Generalbasses: rhythmische und harmonische Unterstützung, Intonation und Füllung. Was normalerweise die geringste Probleme schafft, ist der Rhythmus, denn in einem mit Metall besaiteten Instrument werden beim Zupfen solche hohen Frequenzen erregt, die selbst auf den mittelmäßigsten Instrumenten leicht hörbar sind. Daher auch das weit verbreitete Märchen, dass Instrumente, die sehr trocken klingen und viel „rasseln“, besonders tauglich zum Continuo seien. Ich kann aber dieser Meinung leider nicht zustimmen: vielleicht werden diese Cembali im Tutti noch passabel sein (wo eben das Cembalo klanglich am wenigsten beiträgt), aber in alle Recitativen, Arien oder Sonaten, wo der Cembalo eine viel komplexere Funktion annimmt, treten ihre Grenzen deutlich auf.
Im Wesentlichen ist jedoch der einzige Grund, warum sich der Zupfgeräusch bei einem Cembalo unzureichend entfalten kann, auf eine extrem schwache Intonation zurückzuführen. Dabei werden die Saiten vom Plektrum eher gekitzelt als gezupft. Es gibt keinen Grund auf der Welt, ein Instrument auf dieser Weise zu kastrieren, denn jeder gute Solist kann sich beim bedarf leicht über einem Cembalo hören lassen, geschweige denn ein ganzes Orchester.
Da in der Musik, was man nicht hört, im Grunde auch nicht existiert, wenn Du gefragt wirst Continuo zu spielen, bedeutet es mitunter auch, dass man dich hören soll: ein Cembalo muss zu diesem Zweck gebaut und intoniert werden.

Die zweite Funktion ist die Definition von Harmonie und dies erfordert bereits etwas mehr vom Instrument. Damit die Harmonien sofort und deutlich wahrnehmbar sind und das Ensemble sich rasch daran anpassen kann, muss das Instrument genügend Lautstärke, Intensität und Projektion aufweisen. Der Ton muss klar, fest, intensiv und voll sein, denn wenn man nichts mehr als einen trockenen, metallischen und substanzlosen Klang hört, werden die anderen Musiker ein hartes Leben haben. Wenn sich das Instrument beim spielen andererseits vollständig zu aktivieren scheint, ohne jedoch die einzelne Töne zu verwirren, wird es das Ensemble am besten harmonisch unterstützen.

Die Funktion der Intonationsstütze ist eng mit der Definition von Harmonie verbunden, ist aber doch ein wenig anders. In der Tat, auch annehmbare Instrumente bieten eine ausreichende harmonische Unterstützung auf dem man sich basieren kann und sind im Ganzen passabel; aber um die saubere Intonation vom einzelnen Musiker zu unterstützen, braucht man ein wirklich gutes Cembalo. Das hat sowohl mit Reichtum als auch mit Andauern und Struktur des Klanges zu tun. Es wird vielen passiert sein, mit einem eher verstimmten Solist zusammenspielen zu müssen. Der einfachste Trick ist dabei, so kurz zu spielen, dass Intonationsfehlern vom Publikum nicht bemerkt werden können. Hier wird das Prinzip umgekehrt: Ein klangvollen Instrument der lange nachsingt, kann als wirksame Unterstützung für die Intonation anderer Musiker dienen; dabei halte ich nicht nur den bloßen Zerfall in Sekunden für wichtig, sondern auch die sympathischen Schwingungen, die sich im gesamten Instrument gebildet haben und quasi als Nachhall wirken. Instrumente die einen langen Klang bekommen nur deswegen, weil Energie von den Saiten nicht effizient im Resonanzboden hinübergeht, werden wohl einen langen Ton haben, dafür aber schlank und metallisch, der Intonation überhaupt nicht unterstützen kann; stattdessen werden diejenigen, die beim spielen fast zum Leben erwachen und den Raum mit Klang füllen, eine grundlegende Hilfe sein.
Ein weiteres wichtiges Element ist die Klangstruktur: Wenn Klang intensiv und gut strukturiert ist, suggerieren seine harmonischen Komponenten natürlich und treffsicher den richtigen Ton. Auf der anderen Seite bietet Klang, der geräuschvoll, unrein, mager oder fundamentlos wirkt, keine Hilfe.
Dies ist etwas, was ich beim Chorsingen bemerkte: wenn sich die Sänger nicht bemühten, einen guten Klang zu erzeugen, litt sofort auch gleich die Intonation mit. Im Gegenteil, je schöner, voller, intensiver und strukturierter der Ton, desto besser gelang allen sauber zu intonieren.

Die letzte Funktion des Generalbasses ist die Füllung. Dies hängt auch irgendwie mit Harmonie und Intonation zusammen; aber es ist doch anders, weil man beim Bedarf kann man auch durch Notenwiederholungen, Arpeggi, usw. füllen kann;  ja in einigen Fällen erreicht man dies auch mit hinzugefügte Verzierungen und Passagen.
Der Effekt ist jedoch ganz ein anderer, wenn man verzweifelt mit Noten ausfüllen muss, bloß um der Leere zu entkommen: man kann sich nie aufhalten und man riskiert ständig die Musik zu belasten. Auf der anderen Seite, wenn das Instrument an sich schön voll und resonant klingt ist, kann man richtig Spaß haben, denn sowohl beim Füllen der Harmonien als auch beim Entleeren, wird die Begleitung nie zu fad sein.

Zusammengefasst soll also ein herrliches Continuo-Cembalo, vielleicht wenig erstaunlich, alle gute Eigenschaften eines vortrefflichen Cembalo aufweisen. Da am Ende einige grundlegende Aspekte der Aufführung, wie Rhythmus, Harmonie, Intonation und Füllung, unter anderem auch von der Qualität des Instruments abhängen, rate ich alle Musikliebende es sorgfältig zu wählen.
Wenn man ein wirklich gutes Cembalo bekommen oder mieten kann, sollte man nicht zweimal daran denken, denn es werden dadurch alle profitieren: das Publikum, die Instrumentalisten und wohl auch der Cembalist selbst.
Auf alle Fälle aber, wenn man sich selbst, anderen Musikern und dem Publikum einen Gefallen tun will, sollte man mittelmäßige Instrumente vermeiden; vor allem diejenigen mit einem trockenen, metallischen, unreinen, mageren oder inkonsistenten Klang (sind alles Todsünde für ein Cembalo). In der Tat können diese Instrumente nur eine nichtssagende und fade Begleitung anbieten; diese wird de facto alle oben genannten Funktionen des Continuo einfach an die einzelnen Musiker weiter delegieren, was an sich nicht gut für das Zusammenspiel ist und das Cembalo total überflüssig macht.

Wenn dieser Artikel jemanden enttäuscht hat, weil er nicht die große Lebensfrage „Valotti oder Werkmeister?“ auflöste, die unzählige moderne Continuo-Cembalisten zu plagen scheint, so entschuldige ich mich untertänigst. Aber gleichzeitig schwöre ich, dass ein Instrument mit den oben aufgeführten Eigenschaften, ganz gewiss ein musikalisches Ergebnis ergeben wird, das Diskussionen über Cents und Commas total überflüssig macht.