Passt das Clavichord zu mir?

Mit diesem Artikel möchte ich Studenten und Amateure ansprechen, die dabei sind ihr erstes Instrument zu kaufen. Manchmal geht man diesen Schritt nicht nur mit Freude, sondern auch mit ein wenig Sorgen ein, weil man keine falsche Wahl treffen will. Ängste sind aber niemals gute Ratgeber. Niemand kennt deine Bedürfnisse besser als Du und wenn Du sie berücksichtigt, ist es schwierig was falsch zu machen. Bedenke auch, dass ein Instrument, selbst das teuerste, immer noch eine bessere Investition ist als ein neues Auto oder ein Mobiltelefon, denn diese verlieren in den ersten 5 Jahren den größten Teil des Wertes, auch wenn man das heute kaum noch bedenkt. Ein Instrument mit gutem Klang behält immer einen Wert, den jeder gute Musiker erkennen wird und es kann man immer weiterverkaufen. Die einzige wirklich schlechte Investition, unabhängig vom Preis, ist ein mittelmäßiges Instrument, weil es dich wenig lehren wird, es wird dir mehr Arger als Freude bescheren und, wenn es sich überhaupt bewährt, beim Verkauf wird es niemand es kaufen wollen, es sei nicht zu einem lächerlichen Preis.

Kommen wir nun zum Clavichord, der leider selten berücksichtigt wird, aber in viele Fällen besser für das Studium taugt als Cembali, Spinetten oder digitalen Orgeln. Der Hauptgrund, wieso es oft nicht ernst wahrgenommen wird, ist vielen bekannt: Das Clavichord hat einen zarten Klang und daher, wie man so oft hört, „zahlt sich mit Konzerten nicht aus“.

Ich will nicht bestreiten, dass Clavichorde nicht gut in Ensemblespiel passen: man kann höchstens damit eine Flöte oder eine Geige mit Sordino begleiten; aber die Idee, ein Instrument mit Konzerte zurück bezahlen, ist für einen Studenten doch eher naïv.  Wahrscheinlich werden nicht alle deine Konzerte am Cembalo sein und nicht alle davon auf deinem Cembalo. Vor allem aber sind Konzerte nur die Spitze des Eisbergs im Leben eines Musikers. Jede Konzertstunde entspricht Wochen oder gar Monaten des Studiums, die oft nie vergütet werden. Obwohl diese Vision des Berufs eher hart klingt, bleibt uns doch eine Lösung: unsere Übezeit besser und effizienter wie möglich zu gestalten.

In dieser Hinsicht hat das Clavichord tatsächlich einiges voraus: da die Klangerzeugung stets konstanten Druck erforder, hat die Hand nur eine begrenzte Bewegungsmöglichkeit, während man eine Note spielt. Dies zwingt den Spielen wiederum, den passenden Finger bei jedem Passage zu wählen, um Sauberkeit und guten Klang zu erlangen. Wenn man sofort mit dem richtigen Fingersatz spielen muss, merkt man die Passagen aber auch schneller als wenn man unmetodisch arbeitet. Nach meiner Erfahrung habe ich festgestellt, dass 45 Minuten Übezeit am Pedalclavichord etwa einer Stunde an der Orgel entsprechen. Gerade beim Lesen neuer Stücke ist der Vorteil groß.

Wenn meine Überlegungen zum Verhältnis zwischen Übung und Aufführung dich sinnvoll erscheinen, hast Du vielleicht doch Interesse an einem vollständigen Überblick über die praktischen Vorteile, die ein Clavichord gegenüber anderen Instrumenten hat:

-Diskret: der zarte Klang zu einem Vorteil, wenn man im Haus nicht stören will. Wenn Du in einer WG wohnst, bis spät arbeitest oder kleine Kinder hast, wirst Du es schätzen, dass Du einfach durch Schließen der Tür auch zu späten Stunden spielen kannst, ohne jemanden zu stören; somit bist Du frei deine Übezeit nach deinen Bedürfnisse zu organisieren.

-Kompakt: Obwohl einige der beliebtesten Modelle zu den sperrigsten gehören, ist ein vortreffliches gebundenes Clavichord von vier und ein halb Oktaven nur etwa 130 x 35 cm groß und wiegt ungefähr 14 kg. Gestell braucht es nicht unbedingt: man kann es auf jede Ebene der richtigen Höhe aufstellen. Wenn Du neulich viel Zeit mit dem Messband in der Hand verbracht hast, könnte dies ein durchaus interessantes Argument für dich sein.

– Robust: Wir sprechen immer von einem Musikinstrument, das nicht misshandelt werden sollte; jedoch ist ein Clavichord zweifellos weniger empfindlich als ein Cembalo. Der Boden hat eine beachtliche Dicke und das Gehäuse wird meistens in Hartholz gebaut mit einem stabilen Deckel: wenn sich jemand dem Instrument nähert und darauf ein wenig klimpern möchte, brauchst dich keine Sorgen machen. Darüber hinaus, wegen seiner kompakten Größe, leidet weniger an niedrige Feuchtigkeit.

-Tragbar: ein kompaktes, leichtes und robustes Instrument, eignet sich natürlich auch zum Transport. Normale E-Keyboard-taschen sind groß genug, um einen gebundenen Clavichord von über 4 Oktaven unterzubringen und mit ein wenig Achtsamkeit, kannst du das Instrument überall mit dir bringen. Du kannst es auch mit auf dem Flugzeug,  im Zug oder Bus nehmen. So kannst Du mit deinem Instrument reisen, wenn du auf Urlaub, auf Konzerttour oder zu einer Meisterkurs fährst.

-Stabil: eine Folge der geringen Größe, der Struktur und auch der Art der Klangerzeugung ist, dass ein gutes Clavichord die Stimmung für mehrere Monate hält; unter günstige Wetterbedingungen kann es auch mehr als einem halben Jahr die Stimmung halten. Wenn Du keine besondere Freude daran hast, die Stimmung zu überprüfen, bevor Du mit dem Üben beginnen kannst, ist dies eine große Bequemlichkeit.

-Zuverlässig: Die Mechanik ist so einfach, dass ein jeder mit ein wenig Aufmerksamkeit kleine Fehlfunktionen beheben kann. Dies ist jedoch in der Regel nicht mal notwendig: nachdem sich das Instrumentengehäuse endlich stabilisiert hat und die Mechanik reguliert wurde, ist diese jahrelang nicht wartungsbedürftig. Auch wenn eine Saite springt, brauchst Du nicht warten eine neue zu bekommen: du kannst weiterhin das Instrument normal spielen, da jede Taste immer zwei Saiten zugleich spielt.

– Preiswert: Lassen dich nicht von den Äußerlichkeiten täuschen, denn ein Clavichord ist viel mehr als ein rechteckiger Kasten mit Tasten und Saiten. Obwohl es auf den ersten Blick unglaublich scheinen mag, es ist tatsächlich schwieriger eines gutes Clavichord als eines gutes Cembalo zu bauen. Selbst die Zeit, die man dazu braucht ist nur unwesentlich geringer: es gibt also keinen Grund sich lächerliche Preise zu erwarten, wie einige so hartnäckig glauben. Aber die geringere Zeit in Kombination mit weniger Material und wenig Bedarf an Dekoration, führen doch realistisch zu einem Preisunterschied von etwa 25-30 %.

Dies waren jedoch nur praktische Vorteile. Hier sind die von musikalischer Natur:

Das Clavichord ist das vorzüglichste Instrument, um die auf Gewicht basierende Spieltechnik zu erlernen. Fast alle Traktate des deutschen Sprachraums, vom 16. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, betonen, wie einfach es ist, auf Cembalo, Orgel oder Piano zu übertragen, was man am Clavichord gelernt hat; wohl aber nicht umgekehrt. Die Claviertechnik von J.S. Bach und seiner Schule wurde in einer Reihe von Schriften, die neulich wieder der gebührenden Bedeutung zuerkannt wurde, effektiv beschrieben. Wenn man C.P.E. Bach, Forkel und Griepenkerl liest und an einem guten Clavichord experimentiert, kann man diese Technik in wenigen Monaten erwerben. Ihre Vorteile beschränken sich aber nicht nur auf den Clavichord: sie verleiht eine große Kontrolle des Anschlag auf jedem Tasteninstrument und ermöglicht es auch die typisch schwere und ungleichmäßige Trakturen der historischen Orgeln mühelos zu spielen .

-Das Clavichord ist bei weitem das empfindlichste Tasteninstrument, weil die Finger der Spieler über die Taste mit den Saiten selbst in Kontakt sind. Es ermöglicht Dynamik, Bebung und im Allgemeinen eine Reihe von Nuancen, die auf anderen Tasteninstrumenten undenkbar sind. Eine metronomische und flache Aufführung ist unerträglicher denn je am Clavichord: das Instrument wird dich natürlich anregen, die verschiedenen Teile des musikalischen Diskurses zu betonen und zu differenzieren. Wenn Du zurück auf Cembalo oder die Orgel gehst, wirst dich wohl kaum mehr mit einer statischen Vortrag begnügen; stattdessen wirst du aber versuchen, alle Nuancen von denen diese Instrumente fähig sind, musikalisch zu nutzen. Deshalb hieß es in C.P.E Bach, dass der Clavichordist auch am Cembalo zu erkennen ist.

-Das Clavichord, wie ich bereits erwähnte, ist das einzige Tasteninstrument ohne jede Art von Auslösung: man muss die Taste vom Anschlag bis zum Ende des Klangs richtig drücken. Die Schwierigkeit liegt genau darin: Jede Note muss von Anfang bis Ende geplant und gewollt werden, denn ein schlaffer Angriff oder unzureichender Druck dämpfen den Klang in einem Schluchzer. Ein rationaler Fingersatz ist für eine saubere Aufführung entscheidend, da eine so direkte Mechanik keine Fehler verbergen kann.
Das ist zunächst auch der frustrierendste Punkt für bereits erfahrene Musiker: am Anfang, bleiben dem Unerfahrenen viele Noten stecken und wenn man bloß härter auf die Tasten schlägt, bekommt man keinen schönen Klang vom Instrument. Die erste emotionale Reaktion, von unserem Selbstbewusstsein veranlasst, besteht manchmal sogar darin, das Instrument zu hassen, seine Bedeutung in Frage zu stellen oder seinen Kontakt in der Zukunft zu meiden. Es ist eine menschlich verständliche Reaktion, aber es hilft den Musiker nicht.
Es ist leicht zu verstehen, dass wenn wir uns gar nicht anstrengen brauchen, lernen wir auch nichts wirklich neues. Wir sollten uns daher freuen, wenn wir ein Instrument finden, das uns Fortschritte ermöglicht.
Tatsächlich führt der Lernprozess nach dem ersten Kontakt bereits wenigen Wochen zu gute Ergebnisse und nach ein paar Monaten wird sich unsere Spielart komplett verändert haben.

Was man durch dem Clavichord erwerben kann, ist die volle Beherrschung über unser Tun. Da jede Note gewünscht und vorbereitet werden muss, werden Bewusstsein und musikalische Absicht groß profitieren.