Projekt einer Chororgel für die Evangelische Christuskirche
Die Geschichte der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Meran ist eng mit der intensiven touristischen Aktivität verbunden, die die Kurstadt seit dem 19. Jahrhundert prägt. Sie ist um 1860 aus einer Gruppe von Gläubigen aus Deutschland entstanden, die in die Stadt gezogen waren. Nach der Verabschiedung vom Grundgesetz, der Religionsfreiheit im Kaiserreich gewährte, wurde die Gemeinschaft offiziell gegründet und man bemühte sich kurz danach auch um den Bau der Kirche, die dann schließlich 1885 entlang der Passer-Promenade eingeweiht wurde.
Nach dem anfänglichen Misstrauen ist sie heute kaum aus der Kulturszene der Stadt Meran wegzudenken: neben der idyllischen Lage des Gebäudes identifizieren die Meraner unsere Kirche auch durch die rege Kultur- und Konzerttätigkeit, die seit über 30 Jahren Künstler aus aller Welt nach Meran bringt.
Die Kirche hat auf der Empore eine kleine, aber wertvolle Steinmeyer-Orgel mit mechanischen Kegelladen bekommen, die heute inzwischen wohl das älteste Instrument der Innenstadt ist. Sie wurde gleichzeitig mit der Kirche gebaut und aufgrund ihrer technischen Besonderheiten gehört sie zu den interessantesten spät-romantischen Instrumenten Südtirols.
Leider haben sich aber die musikalischen Bedürfnisse im Vergleich zu 1885 stark verändert: man kann zum Beispiel nicht immer auf eine volle Kirche zählen und das Instrument, auch wegen der Entfernung, eignet sich wenig um Gottesfeiern im engen Kreis zu begleiten. Der Kirchenchor singt heute (aus berechtigten Gründen) vor dem Altar; doch weil es problematisch ist, ihn mit der großen Orgel zu begleiten, muss er sich mit einem E-Klavier begnügen. Auch das Orgelrepertoire hat sich im laufe der letzten 130 Jahre wesentlich verändert und die Eigenschaften der Steinmeyer-Orgel machen sie für viel Literatur ungeeignet.
Doch vielleicht der größte Unterschied zur Vergangenheit ist, dass man früher in unserem Land kaum Konzerte in den Kirchen zu organisieren pflegte, während heute jährlich etwa zwanzig in unserem Gotteshaus stattfinden. Das Fernsehen-gewohnte Publikum erwartet sich heute auch selbstverständlich, Instrumentalisten beim Spielen beobachten zu können und deshalb spielt man vorne.
In all diesen Situationen ist die Steinmeyer-Orgel, obwohl wertvoll in ihrer Art, heute eher unpraktisch. Da ich als Organist nach 10 Jahren diese Situation gut kenne, wollte ich endlich die musikalischen Bedürfnisse der Gegenwart auffassen und habe also die Idee einer Chororgel vorgeschlagen, die diese und weitere Lücken füllen könnte.
Ich bin mir vollkommen bewusst, dass der Bau einer neuen Orgel beachtliche Ressourcen von der Gemeinschaft erfordert, und ich würde es nicht wagen so etwas vorzuschlagen, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass ein gutes Instrument langfristig eine gute Investition ist und, dass die häufige Nutzung für Feiern und Konzerte im Laufe der Jahre diese Anstrengungen rechtfertigen würde.
Ein zweites Instrument, relativ klein, aber konsequent nach den musikalischen Aufgaben konzipiert und platziert, hätte viele Vorteile:
-Es wäre möglich, private und kleinere Gottesfeiern in einer intimen und zweckmäßigen Weise zu begleiten, ohne die Gefahr den Gesang zu überwältigen;
-Es wäre möglich, den Blickkontakt mit dem Zelebranten zu behalten, was, falls er nicht mit unserer Liturgie vertraut sein sollte, seine Aufgabe erleichtern würde;
-Es wäre möglich, den Kirchenchor besser zu begleiten: die harmonische und rhythmische Unterstützung der Orgel würde die Intonation und Sicherheit der Sänger verbessern und außerdem wäre die Auswahl an Chorliteratur umfangreicher;
-Es würde für Konzerte endlich ein Instrument zur Verfügung stehen, dass eine angenehme Begleitung mit angemessenem Fundament, den Solisten und Gruppen geben würde.
-Man könnte mit einem zweiten Instrument die Auswahl an Orgelliteratur sowohl bei Gottesfeiern als auch bei Orgelkonzerten stark erweitern.
-Für eine Stadt wie Meran, die ein breites Publikum von Touristen und Einheimischen hat, wäre es eine kulturelle Bereicherung: man würde damit einen nahezu idealen Ort für die Aufführung der geistlichen Musik aus der lutherischen Tradition schaffen.
Wenn man genau den Platzbedarf und die musikalischen Aufgaben berücksichtigen wollte (Preambulieren, Gemeindebegleitung, Begleitung des Chores, Continuo mit Solisten und Gruppen), dann lässt sich auch die sonst kaum überschaubare Auswahl an Orgeltypen und Dispositionen ziemlich gut begrenzen. Ich glaube schließlich, dass im unseren Fall ein einmanualiges Instrument im sächsischen Hochbarocken Styl am geeignetsten wäre. Eine Orgel, die sich also an die Meisterwerke des berühmten Orgelbauers Gottfried Silbermann und seines Schülers Zacharias Hildebrandt inspiriert.
Diese Art von Instrumenten wurden nämlich für die musikalischen Bedürfnisse einer kleinen evangelischen Gemeinde entwickelt und fassen, bei etwa nur einem Dutzend Registern, alle Hauptaufgaben einer guten Orgel zusammen. Sie weisen eine sehr angenehme Ästhetik und einen schönen, vollen Klang auf, sind technisch einfach und dauerhaft gebaut und benötigen daher auch minimale Wartung.
Darüber hinaus arbeiteten diese beiden großen Orgelbauer mit Johann Sebastian Bach und andere bedeutende Komponisten eng zusammen: es wäre also mit einer solchen Orgel möglich, ein kleines Stück Mitteldeutscher Orgeltradition nach Meran zu bringen.
Letztendlich hätte unsere Gemeinde die Möglichkeit, bei erschwinglichen Bau- und Instandhaltungskosten, sich mit einem kleinen, aber wertvollen Instrument auszustatten, das sowohl eine Taufe als auch einen Festgottesdienst bei voller Kirche, sowohl ein Chorstück als auch eine Kantate von Bach gleichermaßen gut begleiten könnte. Damit würden sich nicht nur Organisten und Gemeindemitglieder, sondern auch ganz viele Musikliebhaber aus nah und fern über viele Jahre vergnügen!
Hier ist ein Dispositionsvorschlag, der getreu von den Originalinstrumenten inspiriert ist (z.B. Dittersbach, Frankenstein, Rötha, Störmthal):
MANUAL: C,D-d“‘
-Principal 8′
-Gedact 8′
[-Quintadena 8’]
[-Viol di gamba 8’]
-Octava 4′
-Rohrflöte 4′
-Nassat 3′
-Superoctava 2′
-Quinta 1.1/2′
-Sifflet 1′
–Sesquialtera I
-Mixtur III
PEDAL: C,D-d‘
-Subbaß 16′
[-Posaunenbaß 16’]
-Tremulant
[= option]
Hier ist ein Prospektvorschlag: Proportionen sind von den Originalen inspiriert, doch Dimensionen und Dekoration berücksichtigen auch Räume und Ausstattung unserer Kirche.
Dies ist eine absolut vorläufige (und sehr ungefähre) Skizze, wie das Instrument vom Kirchenschiff aus etwa aussehen könnte.
Ich bin übrigens der Meinung, dass eine Orgel auf jedem Fall die Ausstattung der Kirche und der Geschmack der Gemeinde berücksichtigen soll, sonst bleibt sie nur ein Fremdkörper. Schöne Projekte setzen stets einen guten Dialog zwischen den verschiedene Akteure (Gemeinde, Orgelbauer, Orgelkommission, Organisten, Denkmalamt…) voraus.
Ich bleibe deshalb für Fragen, Anregungen und weitere Ideen über Gestaltung und Platzierung offen und freue mich auf Rückmeldung:
fabio.rigali@studio.unibo.it
Fabio Rigali,
Organist der Evangelischen Gemeinde Meran