Heute sind die meisten Instrumente in der Welt der alten Musik Kopien von alten Exemplaren; dies dürfte wohl allen bekannt sein, genauso wie die Tatsache, dass einige Modelle heute in der Praxis fast ein Standard geworden sind. Es gibt die Einmanualige- oder Zweimanualige Rucker und das große Taskinm die Flandern und Frankreich repräsentieren. Giusti ist das Paradigma des italienischen Cembalo schlechthin, währen deutsche Cembali bis vor kurzem nur als Insider-Tipp galten. Auch im Bereich des Clavichords sind die begehrte Modelle höchstens drei: Friederici, Silbermann und Hubert. Zum Schluß ist sicher unser Gedächtnis kaum überfördert, denn in diesen 6 Namen sind etwa 300 Jahre Instrumentenbau-Kunst von über 20 europäischen Ländern zusammengefasst.
Es wird nicht umsonst sein, sich daran zu besinnen, wie man zur heutigen Situation gekommen ist: wenn in der Wiederbelebung des Cembalo ein Datum gibt, an das man sich erinnern soll, dann ist dies 1889, das Jahr der Weltausstellung in Paris, für die auch der Eiffelturm gebaut wurde. Bei dieser Gelegenheit wurden zum ersten Male auch drei brandneue Cembali ausgestellt, die von Tommasini und den berühmten Klavierfabriken Pleyel und Erard gebaut wurden. Ob man es glaubt oder nicht, war der Weg der nächsten 130 Jahre bereits markiert: während Tommasini einen Cembalo baute, der weitgehend auf einem Taskin-Instrument zurückging, dass er vor kurzem restauriert hatte, entschieden hingegen Pleyel und Erard, viele technische Lösungen aus dem Klavierbau zu verwenden, wohl hinter einem antikisierendem Gehäuse.
In den folgenden etwa 70 Jahren schlossen sich fast alle Hersteller Erard und Pleyel an, und versuchten im Grunde das Instrument neu zu erfinden. Die Auffassung war manchmal so radikal, dass, wenn man einige diese Instrumente mit den historischen vergleicht, in vielen Fällen fast korrekter scheint, von Klavieren mit gezupften Saiten zu reden als von Cembali. Lässt man philologischen und künstlerischen Fragen bei Seite, so liegt das große Problem dieser Instrumente im akustischen Teil: die Klangproduktion am Cembalo muss notwendigerweise mit einer eher begrenzte Energiequelle (der Zupf) auskommen, was wohl schlecht mit moderner Klavierbau-Mentalität zusammenpasst.
Nach dem Zweiten Weltkrieg könnte man sagen, dass Tommasinis Ansatz, dank einem Verlangen nach mehr Authentizität, sich gerächt hat. Statt das Cembalo aus der Sicht des Klavierbauers neu zu erfinden, begann man Originalinstrumente zu kopieren. Da die alten Instrumente aus akustischer Sicht absolut bessere Modelle sind, ließen gute Ergebnisse nicht lange auf sich warten. Nach einigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des „modernen“ und des „historischen“ Cembalo, dank Künstlern wie Gustav Leonhardt und vortreffliche Aufnahmen auf historischen Instrumenten, hat sich die Welt der alten Musik endgültig und ohne allzu viel Nostalgie auf die traditionellere Bauweise zurückorientiert.
Trotz der unbestrittenen Verbesserung und vielleicht gerade wegen der Erfahrung vom modernen Cembalo, ist man doch nie richtig über die Phase des Kopierens hinweggekommen. So wird die Idee, dass ein Handwerker seine Instrumente entwirft und entwickelt, noch heute eher misstrauisch betrachtet. Viel eher verlässt man sich auf die oben aufgeführten großen Namen, als ob die alten Meister großmütig über jeden Fehler des modernen Erbauer wachen könnten. Leider zeigt die Erfahrung jedoch, dass auch Kopien vom selben Instruments sowohl musikalisch erfolgreich als auch mittelmäßig sein können. Während es selbstverständlich die Schuld des Misserfolgs nicht an den Alten liegt, dürfte auch klar sein, dass Kopieren an sich keine Garantie ist. So bauen zum Beispiel einige der berühmsten Erbauer unserer Zeit bekanntlich in einer eher „freien“ Art. Und noch zum Schluß: wenn man so viel wert an Authentizität liegt, dann wäre es doch philologisch, dass jeder Erbauer seine Modelle von Instrumente entwickelt, denn es war bei den Alten wohl nicht anders.
Ich konnte auch manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dass hinter der Nachfrage an Kopien, auch ein wenig Angst steckt: einige Musiker wollen sich vor allem vor ihren puristisch gesinnten Kollegen unangreifbar zeigen. Aber glauben sie mir doch, wenn ich sage dass nicht nur philologisch korrekte Kopien, sonder auch gleich Originalinstrumente, leider kein Heilmittel gegen Missgunst und Neid sind.
Auch aus der Sicht des Hersteller ist das Kopieren die sicherste Methode, denn es spart viel Kritik von den Kunden: wenn etwas nicht optimal gelingt kann man immer sagen es sei im original auch so. Da ich Purismus ablehne und zugleich meiner Arbeit unheilbar kritisch gegenüberstehe, war ich nie wirklich in der Lage, solche Vorteile zu genießen.
Da genaue Dokumentation nur für eine relativ kleine Anzahl von Instrumenten zur Verfügung steht und andererseits die Begeisterung der Museen an die Veröffentlichung von Zeichnungen im Laufe der Zeit eher nachgelassen hat, hat die Kopie-Denkweise notwendigerweise die große Vielfalt und Reichtum, die wir in den Sammlungen von Instrumenten bewundern, auf die bereits erwähnten Modelle beschränkt.
Die Knappheit an Vorbilder, kombiniert mit den vielfältigeren Bedürfnissen der musikalischen Praxis, hat folglich zu einer unendlichen Reihe von Änderungen an den kopierten Instrumenten geführt, die in der Praxis fast jedes Element betreffen können: Materialien, Stimmton, Umfang, Mechanik, Transponierung nur um die geläufigsten zu nennen. Als Folge gibt es heute für jedes Ruckers Cembalo mit 45 Tasten (wie sein Schöpfer es konzipierte) mindestens ein Dutzend völlig umgestaltete Instrumente, die mit dem Original, von denen sie stolz den Namen tragen, nur noch wenig gemeinsam haben.
Auf der anderen Seite, wenn die meisten Musiker selbst in erster Linie nach einem Instrument wollen, das ihren Bedürfnisse gerecht wird, wie es auch immer war, sollten sie dich keinen Vorwurf machen, denn diese Erwartung ist doch gesund und vernünftig. Genau deswegen empfehle ich Mut zu haben, die starre Mentalität der Kopie loszuwerden, außer im Fall man wolle tatsächlich genau so ein Instrument wie das Original.
Mein persönlicher Ansatz ist zweigleisig: Einerseits bin ich überzeugt, dass die alten Meister akustisch hervorragende Werke entwickelt haben und kopiere deshalb gerne, auf Wunsch, jene Instrumente, die ich für besonders interessant halte. Andererseits kopiere ich historische Instrumente vor allem aus pädagogische Gründe, um mich die Arbeitsweise der Alten anzueignen, und entwickle ich dann, aus dem gelernte, meine eigene Modelle, die meine normale Produktion bilden.
Diese Art von Dialog zwischen Alt und Neu hat den Vorteil, dass man beim Design sich der Fragen, die jedes Instrument mit sich bringt, viel stärker bewusst wird, während beim Studium der alten Modelle mehrere brillante Lösungen zu solchen Fragen lernt, die man sonst wahrscheinlich nicht selbst erdacht hätte
In der Tat sind alle meine Modelle, obwohl sie keine Kopien sind, weitgehend von historischen Instrumenten inspiriert; oft weisen sie technische Lösungen nebeneinander auf, die auf verschiedene Erbauer zurückgehen. Auf dieser Weise, kann ich von der Erfahrung der Alten profitieren, ohne aber auf ein bestimmtes Instrument und Arbeitsweise beschränkt zu sein; so steht mir frei, technischen Lösungen, Materialien, Stimmhöhe und Dimensionen zu wählen, die am besten zu meiner Arbeitweise und zu den Bedürfnissen der Kunde passen. Für den Musiker bedeutet dies in der Praxis nichts anders als die Möglichkeit, ein hochgradig maßgeschneidertes Instrument zu einem merklich günstigeren Preis zu erhalten.
In meiner Erfahrung ist die Aufgabe, Instrumente auf eigene Modelle zu entwicklen, keineswegs so willkürlich wie man meinen könnte: einerseits wird man durch Materialien, traditionelle Bautechnik und Studium der alten Instrumente abgegrenzt. Auf der anderen Seite wird die Arbeit durch den musikalischen Bedürfnisse des Kunden und das gewünschte Klangergebnis bestimmt. Der eigene Phantasie sind, wie man sieht, zwangsläufig scharfe Grenzen gesetzt; doch je mehr man alle diese Elemente ernst nimmt, desto treffsicherer wird man bei der Entwicklung eines richtig zweckdienliches Instrument geführt.
Ausgangspunkt meiner Arbeite ist daher der Dialog mit dem Musiker; dabei stelle ich Fragen über Repertoire, musikalische Verwendung, Klangvorlieben, Raumbedürfnis, Preisklasse und natürlich auch Stimmhöhe und Umfang. Basierend auf diesen grundlegenden Details versuche ich ihm ein Instrument anzubieten, das seinen Bedürfnissen so weit wie möglich gerecht wird.
Inwiefern meine Versuche, erwartungsgerechte Instrumente zu entwickeln, erfolgreich waren, kannst Du nur selbst beurteilen, in dem Du sie spielst und zuhörst.